Silvester-Krawalle: Eine Einordnung aus gewaltpräventiver Sicht
Die Diskussionen um die Silvester-Ausschreitungen in verschiedenen Städten und vor allem in Berlin reißen nicht ab. Wie so oft kommt nach exzessiven Gewaltereignissen in der Öffentlichkeit zuerst die Frage nach der Täter*innengruppe auf – und erst dann die Suche nach den Motiven. Werden junge Männer auf der Basis von Medienbildern als „migrantisch“ gelesen, folgt eine Migrations- und Integrationsdebatte. Es setzt ein Aktionismus ein, ohne genaue Kenntnisse über den Tathergang zu haben. Unterschiedliche Perspektiven auf die Vorkommnisse schüren immer wieder auch Vorurteile gegenüber jungen Menschen. Von Verrohung und zunehmender Respektlosigkeit der Jugend wird gesprochen. Selten kommen junge Menschen selbst zu Wort.
Zeitgleich melden sich Stimmen, die ein höheres Strafmaß für Gewaltstraftaten und ein härteres Durchgreifen des Staates fordern. Ernsthafte Erklärungsansätze seitens der Expert*innen der Gewaltforschung, Jugendsozialarbeit oder Sicherheitsbehörden sind anfänglich zaghaft – und gehen rasch unter. Das ist nicht verwunderlich, denn jedes Ereignis hat komplexe Ursachen und es bedarf ausreichender Informationen zur Lage, um zuverlässige Aussagen machen zu können. Dafür wiederum braucht es Zeit, die es in der schnelllebigen Berichterstattung nicht gibt.
Die Politik reagierte zeitnah auf die Silvester-Krawalle und die Regierende Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey lud am Mittwoch, 11.01.2023, zum Gipfel gegen Jugendgewalt ein. Die ersten Ergebnisse bzw. Forderungen aus dem Treffen mit Vertreter*innen aus Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft, Justiz sowie Integrations- und Sozialarbeit: intensivere Sozialarbeit mit Elternhäusern, mehr außerschulische Jugendsozialarbeit, mehr Orte für Jugendliche in allen Stadtquartieren und eine konsequentere Strafverfolgung.
All dies fordern die Akteur*innen aus der Jugendsozialarbeit sowie der Gewalt-Präventionslandschaft seit jeher. Sie weisen zudem darauf hin, dass Maßnahmen dann besonders sinnvoll sind, wenn sie auf bereits vorhandene Strukturen aufsetzen, sprich: Organisationen, die über langjährige präventive und intervenierende Erfahrungen verfügen, sollten durch finanzielle und personelle Unterstützung ihre Arbeit ausbauen. Ein solches Vorgehen sparte Ressourcen und erhöhte die Wahrscheinlichkeit, positive Effekte zu erzielen.
Als kinder- und jugendparteiische Fachstelle möchte die AJS NRW die Komplexität der Silvester-Krawalle und die damit ausgelöste Diskussion über Jugendgewalt mit verschiedenen Links zu Radiobeiträgen und Fach- und Zeitungsartikeln darstellen und gleichzeitig zur besseren Einordnung beitragen.
GEWALT IN DER SILVESTERNACHT
Ursachen der Silvesterkrawalle. Die sozialräumlichen Hintergründe von Straßengewalt
Von Prof. Dr. Dr. Rauf Ceylan, Prof. Dr. Michael Kiefer
Die Silvesterkrawalle und ihre Implikationen für die Gewaltprävention von Prof. Dr. Dirk Baier
Im Rahmen der Zwischenrufe des Deutschen Präventionstags ordnet der Wissenschaftler die Silvester-Ausschreitungen dem Phänomen der Jugendgewalt zu und geht auf die Frage ein: Was sind aus Jugendgewaltperspektive die primären Ursachen hinter den Gewaltvorfällen?
Hier auch als Video-Statement / DPT-TV zu sehen.
19. Januar 2023 I Deutscher Präventionstag
Korrigierte Zahlen zeigen HOTSPOT DER GEWALT NICHT IN NEUKÖLLN
Zwei Wochen nach Silvester wird bekannt, dass der Höhepunkt der Gewalt gegen Einsatzkräfte nicht in Neukölln lag. Die korrigierten Zahlen sind zu finden im letzten Drittel eines nüchternen rbb-Beitrags – unauffällig, leise und ohne jede Entschuldigung von Experten, Politikern oder Journalisten.
17. Januar 2023 I Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft, Amadeu Antonio Stiftung
Dieser Text von Rosa Fava erschien zuerst bei Migazin.
Was steckt hinter den Krawallen?
In Berlin und anderen deutschen Städten gab es in der Silvesternacht gewaltsame Ausschreitungen: Vor allem junge Männer griffen Polizist*innen und Rettungskräfte an. Dass sie mit Gewaltdelikten auffielen, habe auch mit ihrer sozialen Lage zu tun, sagen Expert*innen.
6. Januar 2023 | Medienintegrationsdienst: Zahlen, Daten, Fakten
Erklärungen zu Silvester-Ausschreitungen
Warum Feuerwehr- und Rettungskräfte angegriffen werden
10. Januar 2023 I Text bei Deutschlandfunk
Gewalt von Jugendlichen: Früher war mehr Silvester
Halbstarke, Hausbesetzer, Hooligans: Deutschland hat viel Erfahrung mit jugendlicher Gewalt. Die Lehre: Repression allein hilft nicht weiter.
6. Januar 2023 I Text in der taz, die tageszeitung
Silvesterangriffe auf Polizei – Höhere Strafen haben kaum Wirkung
Gewalt gegen Einsatzkräfte werden oft im Exzess verübt – höhere Strafen seien wirkungslos, sagte Sebastian Fiedler (SPD)
2. Januar 2023 I Radiosendung im Deutschlandfunk: Heinemann, Christoph
Erklärungen und Präventionsmöglichkeiten zum Phänomen kollektiver Gewalt aus sozialpsychologischer Sicht
Prof. Dr. Ulrich Wagner, emeritierter Sozialpsychologe der Philipps-Universität Marburg, hfolgenden Diskussionsbeitrag veröffentlicht.
10. Januar 2023 I Deutscher Präventionstag
Silvester-Krawalle – Grüne: Es geht um Jugendliche ohne Boden unter den Füßen
5. Januar 2023, Quelle: dpa Berlin/Brandenburg
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention: Zahlen-Daten-Fakten: Jugendgewalt 2021
Das Deutsche Jugendinstitut e.V. (DJI) stellt als eines der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute Europas aktuelle Daten zu Gewalt junger Menschen in Deutschland vor. Und die Fakten sind eindeutig: Jugendgewalt ist nach wie vor rückläufig.
Lagebild Jugendkriminalität und Jugendgefährdung NRW
Das vom Landeskriminalamt herausgegebene Lagebild weist die Entwicklung von Jugendkriminalität und Jugendgefährdung im Zwei- und Zehnjahresvergleich auf.